BUND Kreisverband Wetterau

Rede von Sabine Kling-Jetzen anlässlich eines Klimastreiks in Bad Nauheim

"Maja! Ich bin so stolz auf dich und deine Freundinnen und Freunde, deine Mitstreiterinnen und Mitstreiter – ihr seid soviel mutiger als ich es vor 30 Jahren  mit 17 war.
Dabei war es uns damals schon klar, bereits damals haben die Wissenschafler_innen dieses Szenario prognostiziert...und was habe ich gemacht? Ich habe mich regional mit Leserbrief und Holzkreuzen gegen Bebauungen und den Ausbau der B3 engagiert, habe einen Acker besetzt der für Genmais gedacht war, später Hamstersaft gekauft und bin mit euch gegen AKWs auf die Straße gegangen, habe nach Fukushima Mahnwachen organisiert – und du, du hast mich viele Montage als kleines Mädchen unterstützt und Kraniche gefaltet, Straßentheater gespielt, Plakate gemalt - in der Hoffnung, dass es was nützt, die Menschen sensibilisiert für den Erhalt dieses Planeten.
Heute ist es anders rum – ich unterstütze dich! Mit vollem Herzen.
Wir waren eine Jugend, die dachte mit Recyclingheften und Ökoklamotten die Welt retten zu können – war der Klimawandel zwar angekündigt, aber nicht spürbar, wohl aber in vollem Gange. Heute ist er spürbar! und aus dem Wandel ist die Krise geworden. Der Weltklimarat unter Herrn Lee zeichnet uns ein Szenario, das wir kaum an uns heranlassen können ohne direkt in eine tiefe Hoffnungslosigkeit, Depression und Ohnmacht zu fallen.
Es ist bestimmt nicht leicht den generationenübergreifenden Dialog zu führen – seit jeher winden sich die vorangegangenen Generationen und üben Angriff oder Verteidigung, Resignation oder machen das Aktuelle Lächerlich, wenn ihnen etwas vorzuwerfen ist. Finden andere, die verantwortlich sein mögen oder jammern und klagen, verfallen in eine Starre, dass eh schon alles zu spät sei. „Früher war alles besser, die Jugend heute macht alles kaputt“ ist angesichts des zu recht herbeigesehnten und dankbar angenommenen Fortschritts, unser aller Konsumverhalten, das sich entwickelte, schlicht eine viel zu einfache und falsche These. Das intensive Gefühl in uns drinnen können wir, unsere Eltern und Großeltern kaum aushalten: Schuld und Scham – wir müssen es überspielen mit
„die spinnen doch, alles übertrieben“
„sollen erst mal selbst Geld verdienen, dann werden sie schon sehen...“
„was haben die denn, mich wird es nicht mehr betreffen, ist doch schick, wenn´s hier wärmer wird“
„Ich musste noch ohne Handy klar kommen, hört ihr erstmal auf zu fliegen...“
Sicher könntet ihr diese Äußerungen, die euch entgegenschlagen endlos fortsetzen.
Lasst euch nix vormachen, dies sind alles Strategien den eigenen Schmerz zu verdrängen, der völlig zu Recht durch eure Forderungen und euer Engagement ausgelöst wird in uns Erwachsenen und Senioren. Ihr seid Auslöser nicht Verursacher. Verursacher ist unser schlechtes Gewissen in uns angesichts der Wahrheiten der Wissenschaft. Verursacher ist der uns allen innewohnende Verdrängungsmechanismus, der uns am Leben hält. Verzweifelt suchen wir jeden Halm, der uns ermöglicht unser Gesicht zu wahren, zählen unsere guten Taten auf – so wie ich heute am Anfang meiner Rede – und unser Engagement. Wenn wir nicht mal das zu bieten haben ist Angriff, Hohn und Spott der Rettungsanker – nur leider nicht für unsere Erde sondern nur für unser Ego, kurzfristig. Die Erde aber bräuchte die Demut von uns allen. Die Erde bräuchte unsere Trauer, unsere Wut – auf dass diese Gefühle uns in die Aktion bringen, ins einfordern dessen, was dringend notwendig ist. Und ins Handeln, dass wir uns mutig dem Stellen, dass wir raus müssen aus der Komfortzone – lieber jetzt freiwillig, als später, weil wir durch Umweltkatastrophen alles verlieren.
Strom sparen, Solaranlagen, grüner Garten, gute Taten – ich tat doch was, hab ich mein Soll zur Sensibilisierung für Mutter Erde mit der Gründung des Waldkindergartens und meinem Engagement nicht mehr als erfüllt? Sind nicht jetzt die dran, die weniger vorzuweisen haben? Nein! Nein, auch ich habe mich schuldig gemacht – nicht euren Mut gehabt, keinen oder kaum zivilen Ungehorsam geleistet, damit sich etwas ändert. Jetzt kann ich noch lange um diese vertanen Chancen weinen, doch:
Weint nicht länger um vergossene Milch, steht auf und tut was – und auch wenn euer Konto guter oder vernünftiger Taten zur Rettung der Erde leer ist, wach werden ist dran und aufstehen, mit gehen mit den Fridays, eingestehen und aufstehen, aufstehen. Wir alle hier, ihr und ich und alle hier: wir müssen nicht perfekt sein, um zu sagen, was wir begreifen: die Erde braucht jetzt nicht nur ein bisschen Klimaschutzgesetzt, nicht ein bisschen Klimaprogramm, nicht ein bisschen Klimavorbehalt – NEIN, sie braucht alles was wir haben. Damit sie es bekommt, machen wir uns auf den Weg – zu den vermeintlich Mächtigen und zu uns selbst.
Ja, du und du und Sie da hinten – wir alle können mehr wagen: uns für die Verkehrswende einsetzen, eine Challenge/einen Wettbewerb, wer in der Straße hat die wenigsten gelben Säcke oder keine mehr, wieder feste Seifen, statt Plasikflaschen, Flohmärkte, Bibliotheken, Unverpacktläden, es gibt so viele mögliche kleine Schritte – die größer werden dürfen und müssen – damit wir zusammen stehen und gehen und das sich immer schneller drehende Rad Richtung Earth Day, dem Tag an dem wir bereits eine Erde verbraucht haben, anzuhalten und den Tag wieder auf den 31.12. eines Jahres zu verschieben.
Mit den braven, angepassten demokratischen Wegen haben die engagierten Menschen in den Generationen vor euch zu wenig erreicht, ihr – Maja, Camilla wart im Stadtparlament – habt es versucht – euch viele Worte, viel Gerede und einige sehr unaufmerksame und unsensible Politiker zugemutet .... und einfach kein klar erkennbares Bekenntnis erhalten. Das hat mich so traurig gemacht.
Die Themen sind komplex – und gleichzeitig haben wir Geld und Ressourcen genug Banken zu retten, lassen ohne mit der Wimper zu zucken Berufe aussterben durch Fortschritt in Digitalisierung... da zählt niemand die verloren gegangenen Arbeitsplätze – und jetzt – wo die Fachleute längst gute und machbare Konzepte in den Händen halten, traut sich immer noch niemand zu sagen, dass ihr einfach nur Recht habt und eine Rettung der Erde wie wir sie kennen zwar nicht mehr möglich ist, aber eine Begrenzung des Schadens im Sinne des Pariser Klimaabkommens. Wenn wir heute nicht loslegen, werden die Einschnitte immer massiver sein müssen...
Die Zeit läuft. Es liegt in unser aller Hand. Hört auf euch zu zieren, nehmt die Wissenschaftler und die Jugend ernst!
Wir können etwas rocken – wer 700 Millionen zur Rettung von Notre Dame aufbringen kann und nur 20 Millionen für die Rettung des Amazonas hat – ja, der kommt leider aus Schuld und Scham nicht raus, wer aber nur 200 Menschen zu einer Demo in Friedberg erwartet und 2000 kommen, der macht irgendwas richtig."


Klima-Streik in Friedberg

Unser BUND Ortsverband hat den Aufruf zum weltweiten Klimastreik am 20. September 2019 unterstützt und unsere Aktiven waren fast alle dabei - u.a. mit Fahrrad-"Infostand".

Wir freuen uns, dass so viele Menschen dem Aufruf gefolgt sind und hoffen, dass auch bei den nächsten Streiks (u.a. 27.September 2019 in Bad Nauheim) viele mitlaufen und mitgestalten.


Warum wir Fridays-for-Future unterstützen:

  • Weil Wissenschaft & Umweltbewegung seit 30 Jahren vor den Folgen des Klimawandels warnen

  • Weil Fridays for Future und Greta Thunberg von Klimawandelleugnern, von Energiewendegegnern, Egoisten, Lobbyisten & Parteien der Gier, von rechten und neoliberalen Gruppen massiv angegriffen werden und wir auf der Seite der Kids stehen sollten

  • Weil die Politik die zusammenhängenden Probleme von Klimawandel, Artensterben, Endlichkeit der Ressourcen, sozialem Unrecht und Wachstumsglauben immer noch nicht verstanden hat und in 30 Jahren nicht einmal eine Flugbenzinsteuer durchgesetzt wurde

  • Weil Teile der Politik & Wirtschaft "Fridays for Future" mit Lügen umschmeicheln, putzige Nischenlösungen anbieten, nichts Grundlegendes ändern und den bisherigen Zerstörungskurs grüngestrichen fortsetzen möchten

  • Weil die weltweite Klimakatastrophe langsam anschwillt

  • Weil die globale Temperatur steigt und die Extremwetterereignisse zunehmen

  • Weil die Gletscher & Pole schmelzen, der Meeresspiegel steigt, die Wälder sterben, der Regenwald brennt, Verwüstung zunimmt und Menschen hungern und vertrieben werden

  • Weil die Netzwerke der Klimawandelleugner die zukunftsfähigen Energien bekämpfen und für die Gefahrzeitverlängerung von Kohle- und Atomkraftwerken kämpfen

  • Weil nicht nur das Klima, sondern auch Frieden, Freiheit und Demokratie bedroht sind

  • Weil wir in einem Jahr weltweit so viele fossile Rohstoffe verbrauchen, wie die Erde innerhalb einer Million Jahre herausgebildet hat und gleichzeitig Atommüll produzieren, der eine Million Jahre sicher gelagert werden muss

  • Weil wir Menschen auf die Artenvielfalt langfristig eine ähnlich verheerende Wirkung haben, wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen Jahren

  • Weil immer dümmere, unnötigere, kurzlebigere, energie- und rohstofffressende Produkte kein menschengerechter Fortschritt sind und die Menschen nicht glücklicher machen

  • Weil uns nach den vielen Verlusten im Krieg gegen Mensch und Natur wieder einmal zukünftige, hochtechnologische "Wunderwaffen" versprochen werden

  • Weil das "Gute Leben für alle" mit mehr Gerechtigkeit und einem massiv verringerten Input an CO2, Energie, Rohstoffen und menschlicher Arbeitskraft, möglich wäre

  • Weil in Zeiten gut organisierter globaler Gier die Chancen für den notwendigen Wandel gering sind und weil wir als Menschen diese Chancen nutzen sollten

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Schluß mit Pestiziden

Aktionsgrafik: Das Schweigen der Lerchen  (Foto: BUND)

Pestizide sind entscheidend am Sterben ganzer Bienenvölker beteiligt. Insbesondere die Neonikotinoide schwächen das Immunsystem der Honigproduzenten und machen sie anfällig für den Befall von Milben und Viren. Außerdem verlieren sie ihre Orientierungsfähigkeit, so dass sie nicht mehr zu ihrem Volk zurückfinden. Ein großes Problem – denn als wichtige Bestäuber sichern Bienen 35 Prozent der weltweit produzierten Nahrungsmittel. Auch das Vogelsterben in der Agrarlandschaft wird durch diese Pestizide verursacht, denn auch andere Insekten, die Nahrung vieler Vogelarten, werden getötet.